Zur
Rechtslage von Tauschsystemen*
Prof. M.
Karl-Heinz Lehmann, Ev.
Fachhochschule Hannover
I.
Rechtsunsicherheit durch Rechtsunkenntnis
Ob
es gefällt oder nicht: Tauschen und täuschen gehen auf die gleiche Sprachwurzel
zurück. Die neuhochdeutsche Form "tauschen" wird aus
mittelhochdeutsch "tûschen" oder "tiuschen" hergeleitet. Damals, im 15 Jahrhundert,
bedeutete tauschen soviel wie "unwahr reden,
lügnerisch versichern, in betrügerischer Absicht etwas aufschwatzen" oder
schlicht "täuschen". Der Rosstäuscher ist uns sprachlich heute noch
geläufig.
In
Deutschland haben sich im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts über 350
private Tauschsysteme (z.B. Lets – Local Exchange Trading System -, Tauschringe,
Seniorengenossenschaften usw.) entwickelt. Wenn auch der organisierte,
bargeldlose Austausch von Gütern und Diensten über Verrechnungseinheiten wie z.
B. Batzen, DöMak, Peanuts, Talente oder Tiden - meist
mit Hilfe einer zentralen Buchungstelle - bei vielen
Mitgliedern im Vordergrund steht, ist die übrige Zielsetzung der einzelnen
Tauschsysteme durchaus unterschiedlich: Die in Anbindung an Kirchengemeinden,
soziale Dienste oder Wohlfahrtsverbände gegründeten Tauschringe widmen sich
verstärkt der Nachbarschaftshilfe und den Problemen der Arbeitslosigkeit und
Armut mit der Einbeziehung von Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Andere,
insbesondere die auf Zeit statt Geld als Verrechnungseinheit ausgerichteten
Tauschringe haben mit einem kapitalismuskritischen Ansatz unter dem Begriff der
Solidarökonomie die Etablierung eines alternativen Geldsystems im Blick. Die
meist basisdemokratischen Selbsthilfeeinrichtungen mit häufig ökologischer
Orientierung setzen auf Eigeninitiative und Selbstverantwortung, Entfaltung des
Selbstwertgefühls besonders in Bezug auf die "typische Frauenarbeit"
und auf die Bereicherung jedes Mitgliedes durch neue soziale Kontakte. Die
insgesamt 15 bis 20.000 Mitglieder aller Tauschsystem
sind in lokalen Gruppen unterschiedlicher Organisationsstruktur aktiv. Trotz
jährlicher Bundestreffen und der Existenz einer Arbeitsgemeinschaft
bundesdeutscher Tauschsysteme sprechen die Tauschsysteme mangels einheitlicher
Zielsetzung und Organisation und aufgrund fehlender Legitimation der Bundearbeitsgemeinschaft
nicht mit einer Stimme.
Unter
dem Blickwinkel des Rechts handelt es sich bei einem Tauschring "um eine
örtlich beschränkte, auf Dauer angelegte Verbindung einer größeren Zahl von
Personen, ausgerichtet auf wechselnden Mitgliederbestand, mit einem Gesamtnamen
und dem gemeinsamen Zweck, dass die Personen einander Leistungen hauptsächlich
gegen Gutschriften selbstgeschaffener Verrechnungseinheiten erbringen".
Solche Tauschgeschäfte werden beispielsweise nach folgendem Muster abgewickelt:
Der arbeitslose Klaus will für Kinder im Vorschulalter Musikunterricht
anbieten. Für seine Musikschule entwirft die im Tauschring organisierte
Rechtsanwältin Luise Allgemeine Geschäftsbedingungen nach ihrem reinen
Zeitaufwand ( 4 Stunden einschließlich Beratung) und erhält entsprechend 40
Talente (10 Talente entspricht dem Arbeitsaufwand von einer Stunde). Für 10
Talente repariert ihr Robert den Reißverschluss ihrer Reisetasche. 30 Talente
lässt sie als (unverzinsliches) Guthaben stehen. Davon begleicht sie die
monatliche "Gebühr" in Höhe von 5 Talenten für die Kontenverwaltung,
Arbeit des Vorstandes, Erscheinen der Marktzeitung usw..
Dass Klaus durch seine Ausgabe mit 40 Talenten im Minus ist, bereitet keine
Probleme, irgendwann wird eines seiner Angebote (Fahrdienste, Hilfe beim Bauen)
von einem Mitglied gewünscht werden, so dass dem Konto auch wieder Gutschriften
zufließen. Angebote und Nachfragen sind in Mitgliederrundbriefen und eigenen
"Marktzeitungen" veröffentlicht. Regelmäßige, meist monatliche Treffen
sorgen für Aktualisierung und soziale Kontakte. Die Kontostände sind für die
Mitglieder öffentlich. Das Überziehen des Kontos (oft bis zu 500
Verrechnungseinheiten) ist erlaubt.
Manchen
Frauen und Männern in Behörden oder Anwaltskanzleien argwöhnen hinter dem
Tauschen – eine primitive Form der Güterübertragung, wie ein verbreitetes
Lexikon in diesem Zusammenhang formuliert - noch heute finstere Machenschaften.
Sie trauen Tauschringen alles Schlechte zu und scheinen deren Arbeit möglichst
blockieren zu wollen. Dafür einige Beispiele:
1.
So vermutete der Sachbearbeiter eines hessischen Finanzamtes einen
Gesetzesverstoß, als er an eine Seniorenhilfe in seinem Einzugsbereich am 19.
Januar 1999 u.a. schrieb:
"Die
Seniorenhilfe ... e.V. führt in ihrem ersten (undatierten) Jahresrückblick aus:
"So freut sich die SH ... auch, dass sich ihr inzwischen auch junge Menschen anschließen, die diese "Tauschbörse" durchaus zu schätzen wissen und gern über das Büro eine Ersatzomi für ihr Kind oder einen Reparaturdienst für die defekte Steckdose anfordern."
Ich weise darauf hin, dass der Verein mit der Vermittlung derartiger Tätigkeiten gegen § 1 Abs. 4 seiner Satzung verstößt, wonach alten Menschen geholfen werden soll.
Wurden derartige Hilfsdienste regelmäßig vermittelt? Welchen Umfang hatten diese, gemessen an den sonstigen Tätigkeiten des Vereins für alte Menschen im Jahr 1998?
Bitte beachten Sie, das die Vermittlung derartiger Tätigkeiten künftig unterbleiben."
In
dem Brief folgen dann nach Belehrungen sieben Kriterien zu denen die
Seniorenhilfe innerhalb eines Monats schriftlich Stellung nehmen soll.
2.
Unter dem Stichwort "Vollzug der Gewerbeordnung" informierte am
25.11.1998 ein Angestellter eines bayerischen Landratsamtes nach Auswertung der
örtlichen Presse eine Teilnehmerin der Tauschorganisation Lets
..., die in dem Bericht des "Kreisboten" über Lets.... zufällig erwähnt wird, zunächst durch ein Schreiben,
das lediglich als freundliche Information gewertet werden könnte:
"Einem Bericht des "Kreisboten" entnehmen wir, das Sie mit der Tauschorganisation " Lets ..." befasst sind.
Die Einrichtung derartiger Tauschorganisationen wurde im Rahmen der 33. Gewerberechtsarbeitstagung (GAT) der Gewerberechtsreferenten des Bundes und der Länder gewerberechtlich beurteilt, wie aus der Anlage ersichtlich.
Wir bitten um gefl. Kenntnisnahme und entsprechende Beachtung."
Danach
muss der freundlich im Auftrag grüßende Herr G. sofort telefonisch das
Gewerbeamt der Kreisstadt benachrichtigt haben, denn bereits sechs Tage später
erhält Frau Muta – nennen wir sie aus
Datenschutzgründen in Anlehnung an das lateinische "mutare"
in der Bedeutung von "tauschen, verändern" so - von der Behörde Post:
"Wir haben davon Kenntnis erhalten, dass Sie folgendes Gewerbe betreiben:
Vermittlung von Dienstleistungen und handwerklichen Tätigkeiten (Tauschorganisiation "Lets ...").
Wir wünschen Ihnen bei der Ausübung ihres Gewerbes natürlich viel Erfolg. Bei der Aufnahme ihre Gewerbebetriebes gibt es allerdings auch einige Vorschriften zu beachten.
Dieses
Schreiben gipfelt in der Aufforderung, innerhalb von zwei Wochen eine
Gewerbeanzeige vorzulegen oder Gründe für die Befreiung von einer solchen
Anzeige anzuführen oder sich sonst zu äußern.
3.
Unter dem 18.10. 1996 schreibt die "Zentrale zur Bekämpfung unlauteren
Wettbewerbs e.V.", Zweigstelle Niedersachsen und Sachsen-Anhalt an Herrn
P., der Mitglied des döMak-Tauschringes in Halle ist:
"Beschwerdeführend wird uns Ihr Markteintrag in der Zeitung "Der Vereinsbote" vorgelegt. Sie werben dort u.a. wie folgt:
"Elektroreparatur- & Elektroinstallationsarbeiten. Tapezier- & Malerarbeiten; rund ums Haus."
Aufgrund dieser Werbeaussagen wird jeder verständige Betrachter davon ausgehen, dass Ihrerseits wesentliche Teiltätigkeiten nach dem Elektroinstallateur-Handwerk und/oder dem Maler- und Lackierer-Handwerk ausgeführt werden. .....
Nach § 1 der HandwO ist der selbständige Betrieb eines Handwerkes als stehendens Gewerbe nur den der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften vorbehalten. Sie sind nicht mit obigen Handwerk in der Handwerksrolle eingetragen. Durch diese Mißachtung des Eintragungserfordernisses verschaffen Sie sich einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung im Wettbewerb vor Ihren gesetzestreuen Mitbewerbern und handeln zugleich wettbewerbswidrig nach § 1UWG."
Der
unterzeichnende Rechtsanwalt aus Hannover forderte dann auf, eine beigefügte
Unterlassungserklärung und eine Verpflichtung zur Zahlung von 6.000 DM für den
Fall jeder künftigen Zuwiderhandlung zu unterzeichnen sowie "einen
angemessenen Anteil der Aufwendungen für diese Rechtsverfolgung in Höhe von
294, 25 DM" zu überweisen. Herr P., vom Tauschring unterstützt, wehrte
sich, verwies auf die bloße Nachbarschaftshilfe und den geringen Umsatz, wurde
aber vom Landgericht Halle verurteilt. Er hatte insgesamt 2. 590 DM Gerichts-
und Anwaltskosten zu tragen.
Solche
Konfrontationen verunsichern. Einerseits werden Tauschringe nicht selten durch
Kommunen, Sozialämter oder –ministerien gefördert,
andererseits von Handwerkskammern verfolgt oder von Finanz- und Arbeitsämtern,
aber auch Sozialämtern eingeschüchtert. Die unterschiedlichen Bewertungen durch
verschiedene Behörden ist jedoch kein Widerspruch: Sie dienen
verschiedenartigen Interessen und unterliegen jeweils anderen Rechtsnormen. Ein
zentralistisch gelenktes Staatswesen hätte sicher schon einheitlich auf die aus
dem Boden gewachsenen Tauschsysteme reagiert. In der förderalistischen
Bundesrepublik Deutschland bedürfen neue Entwicklungen zur Durchsetzung ihrer
Interessen stärkerer Gruppen und Verbündeter als die – zudem auch noch
uneinheitlichen Stimmen – von schätzungsweise 15 bis 20 000 Tauschringlern.
Wenn
auch der Umgang mit den beteiligten Behörden seltener weder auf bewusster
Rechtsblindheit noch auf Selbstüberschätzung bei der Interpretation der
gesetzlichen Bestimmungen beruht, führen jedoch Rechtsgleichgültigkeit oder
Rechtsunkenntnis zu vermeidbaren Ergebnissen oder zur Rechtsunsicherheit.
Von
der Justiz kann sine ira et studio
nicht erwartet werden, "neue" gesellschaftliche Phänomene nach dem
Wunschbild der Tauschring-Bewegung zu beurteilen, wenn andererseits Gesetze,
bei deren Verabschiedung freilich nicht an diese Entwicklung gedacht wurde, die
Materie zu Ungunsten der Tauschringe regeln.
II.
Rechtslage
Entgegen
den bereits zitierten Beispielen verfügt bisher nur ein geringer Bruchteil von
Tauschringen über negative Erfahrungen mit Behörden. Mit der weiteren
Verbreitung von Tauschringen und mit dem Trend zu immer tieferen Schnitten ins
soziale Netz kann sich das aber schnell ändern. Tatsächlich betreffen
Tauschringe eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen, so dass insoweit bestimmt
nicht von Rechtsunsicherheit gesprochen werden kann. Die gegenwärtige
Rechtslage lässt es zu, Tauschringler so zu
reglementieren, dass sie ihrer Mitgliedschaft in einem Tauschring unter vielen
Gesichtspunkten wegen der Auseinandersetzungen leid sein könnten. Gerade die negativen
gesetzlichen Regelungen zur möglichen Anrechnung von Tauschleistungen auf
Arbeitslosen- (geld) oder Sozialhilfe wird auch für
die Stagnation der Mitgliederzahlen in Tauschringen verantwortlich gemacht. Brandenstein,
Corino und Petri haben bereits im Jahre 1997 in
einem in Tauschsystemen sehr beachteten Aufsatz mit der Fragestellung
"Tauschringe - ein juristisches Niemandsland?" die vielfältigen
rechtlichen Schranken für Tauschringe erläutert. Zwei Monate zuvor hatte das
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf die Kleine
Anfrage der damaligen Abgeordneten und jetzigen Gesundheitsministerin Andrea
Fischer und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen geantwortet. Diese
Stellungnahme war den genannten Autoren aber erst nach Fertigstellung ihres
Manuskripts bekanntgeworden. Umso beachtlicher ist es, dass im Grundsatz die
Einschätzungen der Rechtslage überein stimmen. Die Antwort der Bundesregierung
lässt sich in folgenden Themenfeldern für Tauschring und Mitglieder wie folgt
zusammenfassen:
1.
Einkommenssteuerpflicht: Leistungen, die in
Tauschringen mit Sachwerten oder anderen Dienstleistungen abgegolten werden,
können steuerpflichtige Einnahmen sein. Einnahme i. S. des
Einkommensteuergesetzes (EStG) ist nicht nur Geld, sondern auch geldwertes Gut,
§ 8 Abs. 1 EStG. Die Höhe der Einnahme ist nach dem gemeinen Wert des
hingegebenen Wirtschaftgutes und/oder der erbrachten
Dienstleistung zu berechnen. Fehlt jedoch – wie regelmäßig bei den
Tauschringlern – die Absicht, auf diese Weise Einkünfte zu erzielen, wird
Liebhaberei angenommen. Das Finanzamt hat dann von einer
einkommensteuerrechtlich irrelevanten Betätigung in der Privatsphäre
auszugehen. Konkret werden solche jährlichen "Nebeneinkünfte" eines
Arbeitnehmers bis zu einem Wert von 800 DM als nicht versteuerungspflichtig
angesehen.
2.
Umsatzsteuerpflicht: Lieferungen und sonstige Leistungen können
im Rahmen eines Tausches oder tauschähnlichen Umsatzes erbracht werden. Auch
hier gilt: Die Berechnung des Umsatzes erfolgt nach dem gemeinen Wert jedes
Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Sofern eine berufliche oder
selbstständige Tätigkeit nachhaltig– auch ohne Gewinnerzielungsabsicht –
ausgeübt wird oder eine Personenvereinigung auch nur ihren Mitgliedern
gegenüber tätig wird, wird Umsatzsteuer geschuldet. Diese Steuer wird gem. § 19
UStG nicht erhoben, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr
32.500DM nicht überstiegen hat und im laufenden 100.000 DM voraussichtlich
nicht übersteigen wird.
3.
Anrechnung von Einkommen, die über Tauschringe erzielt
werden, auf Sozialleistungen: Mangels besonderer Vorschriften für
Tauschsysteme gelten die allgemeinen Vorschriften des Sozialrechts. Danach
schließt eine selbstständige oder auch unselbsständige
Tätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden Arbeitslosigkeit im Sinne des
Leistungsrechts nach dem Arbeitsförderungsgesetz und damit einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld oder –hilfe aus. Das aus einer
Nebenbeschäftigung von geringerer Dauer wöchentlich erzielte Einkommen bleibt
bis zur Höhe von 30 DM anrechnungsfrei. Der darüber liegende Betrag wird zur
Hälfte auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Nebeneinkünfte und
Arbeitslosengeld/ Arbeitslosenhilfe dürfen allerdings zusammen 80 % des
maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Bei der Berechnung im
Tauschfall wird als Wert der zu beanspruchenden Waren oder Dienstleistungen
deren Verkehrswert eingesetzt.
Im sozialen Entschädigungsrecht werden Einkünfte aus selbstständige wie aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit auf die einkommensabhängigen Rentenleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (Ausgleichsrente, Berufsschadensausgleich) angerechnet. Einkünfte aus Tauschgeschäften mindern die entsprechende Bedürftigkeit; sie sind nach den entsprechenden Verordnungen zu berücksichtigen.
Auch nach dem Bundessozialhilfegesetz(BSHG) gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Herkunft und Rechtsnatur sowie darauf, ob sie der Steuerpflicht unterliegen, zum anrechenbaren Einkommen. Inwieweit der Hilfesuchende zur Deckung seines sozialhilferechtlichen Bedarfs auf die Verwertung seiner Einnahmen aus den Tauschring-Aktivitäten verwiesen werden kann, soll maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere von Art und Umfang der dem Hilfesuchenden Tauschleistungen abhängen. Die Prüfung und Bewertung liegt bei den zuständigen Trägern der Sozialhilfe. Die Bundesregierung weist besonders darauf hin, dass jeder Hilfesuchende seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen hat. Damit ist für ihn die Annahme einer Arbeit grundsätzlich ausgeschlossen, die ihm als Gegenleistung für den Einsatz seiner Arbeitskraft keine Leistung gewährt, die zur Deckung seines sozialhilferechtlichen Bedarfs geeignet ist.
5. Verfügbarkeit von Arbeitslosen: Gemäß § 103 Arbeitsförderungsgesetz(AFG) stehen der Arbeitsvermittlung nur Personen zur Verfügung, die das Arbeitsamt täglich aufsuchen können und die für das Amt erreichbar sind. Diese Bedingung kann durch Einsatz moderner Technik (Handy) auch bei der Arbeit im Tauschring erfüllt werden.
6. Ausländer- und Asylrecht: Unter dem Gesichtspunkt des Ausländerrechts ist die Tätigkeit eines Ausländers in einem Tauschring u.U,.eine Erwerbstätigkeit, die auf Grund des bestehenden Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer im Bundesgebiet grundsätzlich ausgeschlossen ist. Solche Ausländern, die nicht dem Anwerbestopp unterliegen kann eine Tätigkeit in einem Tauschring ermöglicht werden.
Asylsuchende dürfen nach § 60 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) für die Dauer ihrer Verpflichtung, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, nicht erwerbstätig sein. Ob die Teilnahme an Tauschsystemen als Erwerbstätigkeit einzustufen ist, bleibt der Einzelfallprüfung vorbehalten.
7. Schwarzarbeit: Nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit handelt ordnungswidrig, wer Dienst- oder Werkleistungen im erheblichem Umfange erbringt, ohne sie einer Dienststelle der Bundesanstalt für Arbeit, einem Träger der gesetzlichen Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherung oder einem Träger der Sozialhilfe mitzuteilen oder nach den Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes zu melden; der Verpflichtung zur Anzeige des Betriebes eines selbstständigen Gewerbes oder den Erwerb einer Reisegewerbekarte nachzukommen; ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbstständig betreibt , ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Das Gesetz wird von den Ländern umgesetzt. Nach den meisten Erlassen oder Richtlinien wird als Indiz für Schwarzarbeit angenommen, wenn das Entgelt die Grenze für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 18 SGB IV übersteigt.
Obwohl das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nach § 1 Abs. 3 für Dienst- oder Werkleistungen, die auf Gefälligkeiten oder Nachbarschaftshilfe beruhen, nicht gilt, wird bei Tauschringlern ein Handeln als Gefälligkeit nicht anzunehmen sein, weil eine Gegenleistung erwartet wird. Außerdem sind sie auch nicht Nachbarn im Rechtssinne, denn sie stehen weder in enger räumlicher Beziehung (Nachbarn im Wortsinne) noch sind sie in der Regel verwandt (Nachbarn im weiteren Sinne).
8. Bankrecht: Die Deutsche Bundesbank hat nach § 14 Abs.1 Satz 1 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank das ausschließliche Recht, in der Bundesrepublik Deutschland Noten auszugeben. Der Verstoß ist nach § 35 des gleichen Gesetzes strafbar. Nach Ansicht der Bundesregierung und der Deutschen Bundesbank bestehen unter diesen Gesichtspunkten keine Bedenken gegen Tauschring-Gutscheine, soweit sich die Vorgänge örtlich begrenzt auf den Austausch von Dienstleistungen und nur in Ausnahmefällen auf Waren beschränken. Die Bundesbank empfiehlt: Keine äußerlichen Elemente, die Banknoten ähnlich sind, zu verwenden; Unterscheidung durch deutlichen Aufdruck "Gutschein" oder ähnlich; räumliche (Stadt- oder Landkreis) und zeitliche (etwa drei Monate) Begrenzung der Gutscheine; konkretes Benennen der Waren oder Dienstleistungen, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt; kein Umtausch in Geld; Ausstellen auf den Namen einer Person mit dem Aufdruck "nicht übertragbar".
9. Gleichstellung mit Kreditinstituten durch Tauschkontenführung: Das Führen von Tauschkonten über getauschte Dienstleistungen u.a. hat nicht die rechtliche Einordnung des Tauschringes als Kreditinstitut zur Folge. Falls jedoch Geschäfte nach § 1 Abs.1 S. 2 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) betrieben werden, die auch die Einrichtung eines eines in kaufmännischer Weise betriebenen Gewerbebetrieb erfordern, wäre eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG erforderlich.
10. Gewerberecht: Tauschpartner werden regelmäßig nicht verpflichtet sein, ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung anzumelden oder sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen, weil es sich bei der Verrichtung der Arbeiten innerhalb des Tauschringes nicht um ein Gewerbe handeln dürfte. Tauschpartner sind nicht von vornherein als Gewerbetreibende anzusehen, sondern nur dann, wenn sie eine auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit ausüben. Bei sogenannter Bagatelltätigkeit (entspricht nicht den Vorstellungen eines herkömmliche Gewerbes und minimaler Gewinn) entfällt die Gewerbsmäßigkeit.
11. Datenschutz: Personenbezogene Daten sind in Tauschzentralen nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes(BDSG) für die Datenverarbeitung nichtöffentlicher Stellen zu behandeln. Die Speicherung von Daten der Tauschpartner ist gem. §§ 4, 28 BDSG zulässig, sofern der Betroffene in die Verarbeitung seiner Daten eingewilligt hat oder diese im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen liegt. Die Tauschzentralen haben nach §§ 33, 34 BDSG gegenüber den Betroffenen Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten über die Daten, die über seine Person gespeichert sind. Das Recht der Betroffenen auf Berichtigung, Löschung und Sperrung der Daten nach § 35 BSDG ist zu beachten; für die mit der Datenverarbeitung beschäftigte Person gilt das Datengeheimnis gem. § 5 BDSG.
Die speichernden Stellen haben technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um die Ausführung der Vorschriften des BDSG zu gewährleisten (§ 9 BDSG). Ihre Tätigkeit unterliegt der Datenschutzkontrolle der Aufsichtsbehörden der Länder (§ 38 BDSG).
Gegenstand
der Anfrage an die Bundesregierung waren weder die Gestaltung der Tauschgeschäfte
der Mitglieder untereinander noch die Schwierigkeiten, die sich für einzelne
Berufsgruppen ergeben, die ihre üblichen Leistungen auch innerhalb eines
Tauschringes anbieten wollen. Auch über die rechtliche Ausgestaltung und
Bewertung der einzelnen Tauschgeschäfte sind die Tauschringe wenig informiert.
Der gesamte Komplex bedarf gründlicher Untersuchung und Darstellung.
III.
Ausblick
Das
Forschungsprojekt "Tauschringe und Recht" im Institut für
praxisbezogene Forschung der Ev. Fachhochschule beschäftigt sich mit den die
Tauschringe und ihre Mitglieder betreffenden Rechtsfragen. Es wird seine
entsprechenden Arbeiten im Frühjahr 2000 abschließen und einen
Forschungsbericht im Wintersemester 2000/ 2001 veröffentlichen. Dieser Bericht
soll zugleich ein Leitfaden für den Umgang mit Rechtsproblemen für Tauschringler sein. - Ähnlich wie in den Niederlanden
könnte den Mitgliedern von Tauschsystemen durch Gesetz ein jährlich
steuerfreier und bei Empfang von Arbeitslosengeld(hilfe)
oder Sozialhilfe anrechenfreier Höchstbetrag von etwa
3000 DM für abgewickelte Tauschgeschäfte zugebilligt werden. Das
Forschungsprojekt wird einen entsprechenden Gesetzesvorschlag formulieren und
diesen den Tauschsystemen vorstellen. Es liegt dann an den Vertretern der
einzelnen Tauschringe, sich verbindlich darauf zu einigen und Verbündete im
Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung zu finden, damit in das
Gesetzgebungsverfahren eingetreten werden kann. Einige Tauschringe sprechen
sich vehement gegen eine umfassende Neuregelung aus. Wenn die Tauschsysteme den
Vorschlag generell verwerfen, weil sie befürchten, dass dieser im Ergebnis
hinter der gegenwärtigem Gesetzeslage zurückbleiben oder die Entwicklung
hemmende Festschreibungen enthalten könnte, müssen sie einplanen, dass sich
dann jeweils einzelne Tauschringe oder deren Mitglieder allein mit Behörden
auseinandersetzen müssen. Viele Tauschringe sind jedoch daran interessiert,
dass das Forschungsprojekt nicht nur eine Gesetzesvorlage entwirft, sondern
unter den Abgeordneten des Bundestages auch Bündnispartner sucht, damit diese
über ihre Partei ein Gesetz zum Vorteil der Tauschsysteme auf den Weg bringen
können. Die Diskussion über den "richtigen" Weg innerhalb der
Tauschsysteme kann beginnen.